Das abendfüllende Tanzstück Okra, performt von den drei Tänzerinnen Maria Teresa
Tanzarella, Sandra Hanschitz und Simone Detig, ist eine
Auseinandersetzung mit Bildern. Bilder, die sich aus dem Kontext eines
zeitgenössischen Tanz
-und Choreografieverständis speisen, das sich im Theaterraum
mittels Gesten und einer gewissen Affinität zum Minimalismus, zeigt. Das
Stück gleicht einem Strom vieler, vorbeiziehender Bilder. Ausgangspunkt
der Arbeit war die Frage, wie wir Tanz und ganz
allgemein ein Bühnengeschehen lesen - wie wir schauen, wenn wir
schauen. Ausgehend von zehn Handzeichen und fünf Körperpositionen, die
ineinander geschnitten, überlagert und gedehnt werden, entstehen
Momente, in denen ein Bild viele weitere
- teilweise auch sich stark abgrenzend zum Bild davor heraufbeschwört. Okra übt sich darin Erlebnisse und Bewegungen in ihrer Namenlosigkeit und „Nichtzuortbarkeit“ stehen zu lassen.
Wenn ich ein
Tanzstück sehe, beschäftigt mich stets die Frage, was für ein Körperkonzept und
Definition von Tanz der/die Choreograf*in in der Arbeit entwickelt. Um fassen
zu können, was mich am Tanz fasziniert und wie ich mit dem Körper arbeiten
will, entwickelte ich im Laufe des letzten Jahres den Begriff des „Offenen Bildes“.
„Offene Bilder“ sind für mich Momente, in denen eine Bewegung an etwas Konkretes
erinnert, aber nicht „nur“ auf dieses Konkrete verweisen will, sondern im Kern
auf die leibliche Materialität dieser konkreten Bewegung hinweist. Die mögliche
„Bedeutung“ der Bewegung, wird mit einem Augenzwinkern beachtet. Dieses Augenzwinkern
entsteht aus der Einsicht, dass wir Menschen den symbolischen Blick nie ganz
hinter uns lassen können. Siehe auch die Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte,
die davon ausgeht, dass die Wahrnehmung ein performativer Prozess ist, der stets
zwischen einem symbolhaften Lesen und einem phänomenologischen Erleben hin und
her pendelt.
Anhand des
Konzepts der „Offenen Bilder“ entwickelte ich in meinem letzten Stück „Okra“
eine Bewegungspraxis, die die Bewegungssprache des Stückes definiert und die sich
durch das komplette Stück hindurch zieht. Gleichzeitig sind die „Offenen
Bilder“ auch Inhalt des Stückes. Die Bewegungspraxis besteht darin, dass die
Tänzerinnen eine konkrete Geste oder Bewegungshandlung bestimmen (in „Okra“
sind es 10 Handzeichen und 10 Körperhaltungen, die sofort als Codes erkannt
werden) und „darum herum zirkeln“. Die eigentliche Geste darf nicht ausgeführt
werden. Das Spiel besteht darin, sich der Geste anzunähern und sich wieder von
ihr zu entfernen. Man kann auch von Konkretisierung und Abstrahierung sprechen.
Ich nenne das auch „Never quite there“.
In „Okra“ gibt
es eine Weiterentwicklung der „Offenen Bilder“, indem ich die Handzeichen und
Körperhaltungen „übereinanderlege“. Das heisst, die Tänzerinnen führen zwei verschiedene,
konkrete Bewegungshandlungen zur selben Zeit aus, wodurch sich zwei Bilder
„übereinander lagern“ oder „ineinander geschnitten werden“, so dass sehr
seltsame Bilder entstehen und mehrere Verweise auf verschiedene konkrete
Bewegungshandlungen gleichzeitig gemacht werden oder auf gar nichts mehr
verweisen und „abstrakt“ wirken.
Durch das Spiel mit den Verweisen und gleichzeitiger
Betonung der Materialität der Codes, stellte
die Arbeit für mich auch eine Art Gespräch mit den Zuschauern her, die stets
eine Story suchen, wenn sie ein Tanzstück sehen. Da die Bilder, ganz klar nicht
zur narrativen Interpretation frei gegeben werden und trotzdem konstant
Assoziationen und Bildketten provozieren, wird für mich das Betrachten von Tanz
an sich zum Thema.
The
full-length evening dance piece Okra,
performed by the three dancers Maria Teresa Tanzarella, Sandra Hanschitz, and
Simone Detig, is a debate on pictures. Pictures that are nurtured by the
context of contemporary dance and choreography and that are put at display
through gestures. The piece resembles a stream of multiple, fleeing pictures.
The departure point of this work was the question how we read dance and actions
on stage in general – how we watch when we watch. Taking off from 10 hand
gestures and five body positions that are cut into one and another, juxtaposed
and stretched. Through these actions moments emerge where a picture evokes
numerous other pictures – pictures that at times also stand in opposition to
each other. Okra lets lived experiences
and movements stand in their namelessness and non-assignability.